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UTOPIASTADTRAD | EIN PROJEKT MIT VIELSEITIGER WIRKUNG

Von Max-Mosche Kohlstadt

Das inzwischen auch im bergischen Wuppertal das Bekennen zum Fahrrad nicht mehr mit kritischen Blicken entlohnt wird, ist wohl Teil eines gesamtgesellschaftlichen Wandels. Eines Wandels hin zum unmotorisierten Individualverkehr unter Berücksichtigung von Umwelt und sportlicher Betätigung. Aber auch zu Freizeitzwecken greift der*die Wuppertaler*in immer öfter zum Fahrrad. Dieser Veränderung ist einzelnen Institutionen zu verdanken, die den realen Griff zum Fahrrad überhaupt erst ermöglichen. Neben zahlreichen Institutionen und infrastrukturellen Einrichtungen wie der Nordbahntrasse, das Lastenrad »Fienchen«, der Pedelec Verleih der Stadt Wuppertal, »Supercargo« oder Fahrradkoryphäen wie dem »Talradler«, trägt auch der Radverleih Utopiastadts »Utopiastadtrad« seinen Teil dazu bei. Noch vor den bestehenden Maßnahmen und den kritischen Entwicklungen der Covid-19-Pandemie haben Wolf und ich den utopischen Radverleiher*innen deswegen an einem regnerischen Tag einen Besuch abgestattet. Was motiviert die Ehrenamtler*innen dieses Angebot aufrechtzuerhalten und wie läuft das überhaupt ab?

Deswegen trafen wir uns mit drei der Verleiher*innen – Ralf Wittmer, Hildegard Gallenkamp und Peter Theuerkauf vor den Verleihcontainern auf der Utopiastadt Campus Raumstation. Ralf engagierte sich bereits seit 20 Jahren ehrenamtlich bei der Kirche bevor er vor drei Jahren bei »Utopiastadtrad« landete. Angetrieben von seiner Leidenschaft für Fahrräder findet er hier ein soziales Netzwerk von Gleichgesinnten, die gemeinsam an einem Strang ziehen. Auf der Suche nach einer Tätigkeit die ihnen nicht nur Spaß bereitet, sondern auch etwas an die Mitmenschen zurückgibt, führt auch der Weg von Hildegard und Peter sie zu den beiden Überseecontainern von »Utopiastadtrad«. Seitdem stehen sie in der Saison wöchentlich bereit um Wuppertaler*innen das Fahrrad fahren zu ermöglichen.

Aber wie funktioniert der Radverleih und was macht ihn besonders?
»Utopiastadtrad« ist im Prinzip ein Radverleih wie jeder Andere. Die einzige Prämisse besteht darin, dass er ehrenamtlich geführt wird und damit nicht an erster Stelle profitorientiert ist. Die Nutzer*innen zahlen also keinen festen Betrag für das Leihen eines Rads, sondern hinterlassen bei Mitnahme des Fahrrads ihre Kontaktdaten und ein Pfand von 20 €. Bei Rückgabe des Rads bekommen die Nutzer*innen ihren Pfand zurück und haben die Möglichkeit einen Teil davon zu spenden. Hier wird allerdings keiner kritisch beäugt, wenn das Spendenangebot nicht wahrgenommen wird. Denn der Radverleih ist ein Angebot, das auf niederschwelligem Zugang, sozialer Teilhabe und Vertrauen basiert. Aber auch Upcycling spielt hier eine große Rolle. Die Fahrräder entspringen alle aus Spenden die Wuppertaler*innen Utopiastadt vermacht haben. Bevor sie Teil des Sortiments werden, nehmen einige der »Mirka Schrauba« die Räder unter die Lupe und testen sie auf Herz und Nieren. Schließlich sollen Unfälle, aufgrund von technischen Schwächen, vermieden und eine heile Rückkehr der Fahrräder garantiert werden. Alle Räder im Verleih sind für den durchschnittlichen Gebrauch auf der Nordbahntrasse und im Straßengebrauch konzipiert, das erleichtert Einsteiger*innen erfahrungsgemäß das Fahrradfahren bemerkt Hildegard.

Trotz all dieser Faktoren ist es wichtig zu betonen, dass der Radverleih Utopiastadts keine Konkurrenz zu bestehenden Verleih- oder Reparaturangeboten darstellt. Das Konzept versteht sich viel mehr als eine Ergänzung zu bestehenden Radverkehrsinfrastrukturen und eröffnet dahingehend die Möglichkeit, Wuppertaler*innen niederschwellig für das Fahrradfahren zu begeistern. Das lässt sich auch an den Nutzer*innen des Angebots des Radverleihs beobachten. Hier treffen überregionale Besucher*innen auf Familien aus dem Quartier. Einige können sich keine eigenen Räder leisten, andere suchen nur etwas Abwechslung. Ab und zu statten auch Jugendgruppen der Alten Feuerwache oder fahrradengagierte Berliner*innen dem Verleih einen Besuch ab. Ihnen allen gemeinsam ist die Freude am Radfahren und die Dankbarkeit für dieses Angebot. So können sich an manchen Tagen schonmal 50 Nutzer*innen auf Rädern von »Utopiastadtrad« durch die Talstadt begeben – natürlich so lange das bergische Wetter es zulässt.

Unter diesen Umständen sind die Verleiher*innen weit mehr als bloße Dienstleister*innen. Sie sind rudimentäre Fahrradmechaniker*innen, helfende Hände, Fahrradfahrlehrer*innen, Wissensvermittler*innen, offene Ohren, Mobilitätswendeninitiator*innen und Teil eines utopischen sozialen Netzwerks. Das garantiert eine abwechslungsreiche Zeit vor Ort und schützt vor langweiliger Wiederholung. Hier sind Skurrilitäten und einzigartige Begegnung vorprogrammiert. Auf die Frage warum die Drei sich auf eine solche Art und Weise engagieren, antworten die drei sehr schnell: Abwechslungsreiche Aufgaben schützen vor Langeweile bzw. Alltagstrott und entlohnen mit Lächeln und Freude!

Inzwischen haben die Verleiher*innen ein Konzept erarbeitet mit dem sie auch unter den anhaltenden Umständen die Öffnung des Verleihs verantworten können – die Verleihsaison 2020 ist damit eröffnet! Das heißt, dass du ab jetzt wieder mit einem schicken Tandem und unzähligen Straßenrädern über die Trasse trampeln kannst. Wann der Verleih geöffnet hat, kannst du hier im Onlinekalendar in Erfahrung bringen. Neben zahlreichen weiteren lokalen Akteur*innen, stellt »Utopiastadtrad« ein antreibendes und inspirierendes Ritzel in dem Antrieb der lokalen Fahrradkultur da. Eine Kultur, die Wuppertal begeistert in Richtung Mobilitätswandel schubst – natürlich behutsam! Wenn du dir vorstellen kannst in Zukunft selbst Teil von »Utopiastadtrad« zu werden oder Fragen an die Verleiher*innen hast, dann melde dich doch hier via Mail.

Disclaimer: Der nachfolgende Artikel und das darin geschilderte Treffen ist vor der Covid-19-Pandemie und den damit einhergehenden Maßnahmen umgesetzt worden.