Seit März 2021 erscheint in der Reihe »Logbuch Utopiastadt« alle 14 Tage eine Kolumne aus Utopiastadt im Wuppertaler Lokalteil der Westdeutschen Zeitung. Und hier auf der Seite.
Die heutige Kolumne ist von Hank Zerbolesch:
Logbucheintrag 0.9
In einem Kopf mit endlich viele Ideen können keine Supagolf-Bahnen mehr erdacht werden, wenn das kreative Kontingent erst einmal erschöpft ist. Im Kopf von DDQ Lessa und Supaknut allerdings liegen mehr Ideen, als Hilberts Hotel Zimmer hat, und das hat schon unendlich viele.
Als Supagolf-Entstehungs-Zaungast fühle ich mich dauerüberrannt von den Gehirnfürzen der beiden Supa-Initiatoren. So wie Tyler Durden vor Lous‘ Taverne über sich selbst, fallen die zwei mit ihrem Ideen-Pingpong über mein eher systematisch gepoltes Gehirn her. Und während die beiden auf ihren wackeligen Holzstühlen reden und trinken und denken und trinken und rauchen und trinken, stell ich mir immer wieder die Frage, was das wohl für eine Kirmes ist da hinter diesen drei Augen. Welche Farbe hat die Idee einer S-Bahn? Wie fühlt sich der Gedanke einer Merk-dir-den-Ball-Bahn an? Und wie sehen eigentlich die kleinen Umpalumpas aus, die all die Bilder zu einer finalen Veranstaltung zusammen knüppeln? Am Ende sitze ich dann meistens auf der Supacouch, schütte Bier in mich hinein, höre dem 77-jährigen Mick Jagger (»So alt schon?«) zu, wie er in seine Mundharmonika pustet und versuche dem Schwindel Herr zu werden und nicht mehr zu verstehen, sondern zu genießen. Spaß zu haben. Denn das ist, worum es bei Supagolf geht: Eine gute Zeit haben. Und das gilt allumfassend: Ausdenken, skizzieren, Material ankarren, Leute einspannen, Ideen umsetzen, scheitern, Ideen verwerfen, neu erdenken, neu umsetzen, aufbauen, durchführen, abbauen, all das ist Teil der Supazeit. Und immer sind da Menschen. Hangarounds, Prospects, Members. Alle mit Bier, alle mit Bock und alle mit dem unbedingten Willen, ihr Privileg einer guten Zeit mit denen zu teilen, die eben keinen Supaknut und keinen DDQ Lessa um sich haben. Mit denen, die die letzten eineinhalb Jahre nichts zu lachen hatten. Mit denen, die leer sind. Runtergebrannt.
An dieser Stelle sollte die Kolumne sowohl einen Bogen zur Hebebühne als auch einen zu Utopiastadt schlagen, schließlich steht da oben »Neues aus Utopiastadt«. Aber wie Mick Jagger schon sang: »You can’t always get what you want«. Du kannst zwar noch unendlich viele Gäste in Hilberts schon lange belegtes Hotel unterbringen, aber wenn Herr Helmholtz auf Zimmer 1408 besteht, bricht das Paradoxon in sich zusammen. Wobei das natürlich auch nur die halbe Wahrheit ist. Denn ohne all die Sympathisanten und Mitstreiter und Freunde aus Hebebühne und Utopiastadt würde Supagolf der Abspann fehlen. Die Ernte. Das große Finale. All die Menschen, die all die Bahnen vom Saal 9 in die alte Tankstelle schleifen und auf den Campus tragen. Die Rollrasen-Rankarrer. Die Begleitheft-Bestücker. Die Aufbau-Asis. Ohne sie würden dann eben doch nur zwei Verrückte auf Holzstühlen sitzen und mit Ideen jonglieren, während in meinem Kopf Mick Jagger eine Autotune-Version von »Gimme Shelter« anstimmt. Und das wäre eine Tragödie. Für mich, für Mick Jagger, und ganz besonders für all die Supagolf-Besucher.
Erstveröffentlicht am 29.07.2021 in der Printausgabe der WZ: https://www.wz.de/nrw/wuppertal/stadtteile/elberfeld/die-hebebuehne-supagolf-edition_aid-61837947