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Logbuch

Wer entscheidet?

Seit März 2021 erscheint in der Reihe »Logbuch Utopiastadt« regelmäßig eine Kolumne aus Utopiastadt im Wuppertaler Lokalteil der Westdeutschen Zeitung. Und hier auf der Seite.

Diese Kolumne ist von David J. Becher:

Logbucheintrag 0.51

»Stadt bei Kaufhof nur Ideengeber« war gestern die Schlagzeile auf dem WZ-Titelblatt. Im Artikel dazu wird wiederholt angemerkt, dass die Entscheidung, was genau mit dem Kaufhof-Gebäude passiert, bei einem global agierenden Hedgefonds liegt. Nicht auf dem Titel der WZ, aber in §1 des Baugesetzbuches steht: »Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten.« Wow. Da steht ja fast alles drin für nachhaltige und am Gemeinwohl orientierte Bauvorhaben! Warum genau ist also die Stadt beim Kaufhof nur Ideengeber? Nun ja – erst einmal geht es in dem Gesetzestext um die Bauleitplanung, nicht um einzelne Bauvorhaben. Dann ist die Umnutzung des Kaufhofs voraussichtlich maximal eine Umbaumaßnahme. Und dann gibt es viele weitere rechtliche Möglich- und Notwendigkeiten, die Eigentümern die letztendliche Entscheidungshoheit geben.

Nun habe ich begründbare Zweifel, dass ein globaler Hedgefonds besonderes Interesse daran hat, eine »… nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt« am Neumarkt in Wuppertal umzusetzen. Umgekehrt hab ich aber als Bewohner dieser Stadt großes Interesse an genau so einer Entwicklung hier vor Ort. Und bin sehr dankbar, dass vor einem guten Jahrzehnt bei mir gegenüber ein Projekt eingezogen ist, das mir ermöglicht, als interessierter Bürger die Stadt direkt vor meiner Tür im großen Stil mitzugestalten. Nicht in Einzelprojekten, sondern im wahrsten Sinne des Wortes grundsätzlich: In vielen, vielen Jahren aktiver Debatte hat Utopiastadt dafür gesorgt, dass schließlich die gesamten rund 60.000 Quadratmeter am Bahnhof Mirke gemeinnützigen bzw. dem Gemeinwohl verpflichteten Einrichtungen gehören. Auf dem Weg dorthin gab es immer wieder die Momente, wo auch hier Stadt und Gesellschaft maximal Ideengeber im Renditepingpong diverser Investoreninteressen war. Damit haben wir uns aber nie zufrieden gegeben, sondern als Sachwalter für das Gemeinwohl beharrlich mitgeredet. Im Ergebnis wird jetzt tatsächlich jegliche Entwicklung auf diesen Flächen langfristig Erträge fürs Gemeinwohl und nicht für Investorenportfolios hervorbringen.

Ich bin fest davon überzeugt, dass es für eine Stadt richtiger ist, wenn die, die über inhaltliche Entwicklungen entscheiden, auch direkten Bezug zum Ort haben. Und wenn sie sich mit ihren Entwicklungsvorhaben den Werten stellen, die im §1 BauGB so kompakt aufgeschrieben sind. Das kann eine Stadt mehr oder weniger eindeutig in Bauleitplanungen festschreiben. Dann ist sie vielleicht irgendwann auch internationalen Renditestaubsaugern gegenüber mehr, als nur Ideengeber.


Erstveröffentlicht am 08.02.24 in der Printausgabe der WZ: https://www.wz.de/nrw/wuppertal/utopiastadt-kolumne-wer-entscheidet_aid-106694673