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Logbuch

Supa ist Standard

Seit März 2021 erscheint in der Reihe »Logbuch Utopiastadt« regelmäßig eine Kolumne aus Utopiastadt im Wuppertaler Lokalteil der Westdeutschen Zeitung. Und hier auf der Seite.

Diese Kolumne ist von SupaKnut:

Logbucheintrag 0.68

Eigenlob stinkt!
Aber wir können ja nichts dafür, dass alle bei Supagolf supa sind. Denn supa ist bei uns Standard.

Millionen Menschen von jung bis alt strömten an drei Augustwochenenden ins Mirker Viertel um an Hebebühne und Utopiastadt Supagolf zu spielen.
Millionen Mal konnten Special Agent D.D.Q. Lessa und SupaKnut alle mit ihrem Sprüchlein an der Rezeption Willkommen heißen. Sie erklärten den Leuten die Handhabe der Geräte (Hockeyschläger, Golfball, Bleistift aus U-Boot-Stahl) und des vom Jacky wunderschön gestalteten Supagolf-Guides (Randsportartenbegleitheft).

Den Sermon erzählen sie begeistert immer und immer wieder, denn diese augenzwinkernde Einführung gehört dazu wie Supa zu Golf. Auch für Wiederholungstäter. Den Damen und Herren am Erfrischungsstand bluteten täglich die Ohren. Das schreckt sie aber nicht ab: Schon beim ersten Supagolf im Sommerloch in den Elbahallen vor 15 Jahren waren viele von ihnen dabei. Eilike, Silke und Barbara sind seither unersetzlich und die Herzen und Gedächnisstützen für die zwei Stinkstiefel der Veranstaltung!

Auch tritt fast der komplette Vorstand der Hebebühne an zum helfen. Seit 14 Jahren bespaßt diese Sporteventsatire nun das Mirker Viertel – zum Beispiel als erste offizielle Veranstaltung im Hutmacher. Apropos Utopiastadt: Mit einem Beamer und Unterlegscheiben haben sie uns diesmal den Arsch (ja, richtig gelesen: Arsch Arsch Arsch) und zwei Bahnen gerettet. Die Freiwilligen vom Samstags Workout und immer wieder die Bufdis helfen voller Enthusiasmus beim Tragen und Verstauen, Wochenende für Wochenende.

Ist übrigens kein Zufall, dass das hier in Wuppertal (dem neuen Berlin) passiert. Woanders bräuchte man hunderttausende Euros um so ein Evänt auf die Beine zu stellen, denn ohne diese ganzen feinen Menschen wäre Supagolf utopisch. Haha, Wortwitz! Und wo wir schon beim Thema Wort sind: da schlackert Hank Zerbolesch im Auftrag einer der oben genannten Damen mal eben einen perfekten Pressetext raus, weil der Spezialagent und ich auf der Zielgeraden nur Flausen im Kopf haben. Und spricht nebenher den weltneuen Audioguide zum Randsportartenbegleitheft ein.

Diese verdammte Ausgabe Nr. 15 ›Supagolf GTI‹ ist so unglaublich gut gelaufen, da darf ich nicht verschweigen, dass die Stadt, genauer der Quartiersfonds, uns erneut voll nett unterstützt hat und wir nicht bangen mussten, auf Kosten sitzenzubleiben. Gerüchte munkeln, dass sich das ändern soll. Aber um die Zukunft müssen wir uns keine großen Sorgen machen, was folgender Dialog mit einem der sehr jungen Aufbauhelfer verdeutlicht: „So, jetzt müssen wir rechnen.“ „Das kann ich noch nicht, erst in 23 Tagen“ „ Hä, was ist dann?“ „Dann werd ich eingeschult …“

Apropos Schule: Auch ein Public Interest Design Master Student baute eine tolle Bahn. Sein Ding ist, Menschen spielerisch zusammen zu bringen. Er war begeistert – also haben wir sogar akademisch betrachtet alles richtig gemacht, verdammte Hacke!

Ergo: Wenn alle Spaß hatten, machen wirs wieder. Bis nächstes Jahr!


Erstveröffentlicht am 11.09.25 in der Printausgabe der WZ: https://www.wz.de/nrw/wuppertal/utopiastadt-kolumne-beim-supagolf-sind-alle-supa_aid-134710477

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Logbuch

Blick zurück nach vorn

Seit März 2021 erscheint in der Reihe »Logbuch Utopiastadt« regelmäßig eine Kolumne aus Utopiastadt im Wuppertaler Lokalteil der Westdeutschen Zeitung. Und hier auf der Seite.

Diese Kolumne ist von Amanda Steinborn und David J. Becher:

Logbuch 0.67

Das wars! Bei der Mitgliederversammlung sind Amanda und David nicht mehr als Vorstandsvorsitzende des Fördervereins angetreten. Zehn Jahre Vorsitz für David und sechs Jahre Vorstandsarbeit auf verschiedenen Posten für Amanda.

David: Mal zurückgeschaut – stimmt eigentlich die Erzählung, dass ich dich mit Utopiastadt zurück nach Wuppertal gelockt habe?

Amanda: Ja, so war das. Als Exilwuppertalerin habe ich lang überlegt, ob ich zurückkehren soll. Der ausschlaggebende Punkt für mich war, dass ich – sogar auf 250km Entfernung – das Gefühl hatte »Das ist wichtig – da will ich dabei sein!«. Nach dem Reinschnuppern bin ich dann nicht mehr losgekommen. Gepackt hat mich vor allem die Möglichkeit, Zukunft ganz konkret mitgestalten zu können. 
Und stimmt es, dass du als Nachbar eigentlich nur mal schauen wolltest was da so los ist und dann – zack – im Vorstandsvorsitz warst?

David: Fast. Es war 2013, das Café Hutmacher hatte frisch geöffnet, ich wohnte gegenüber – und dann hat Christian mich am Büchertresen gefragt, ob ich bei der Entwicklung einer Fördervereinssatzung mitmachen will. Klingt erstmal ziemlich öde. War es aber nicht, im Gegenteil, war spannend, Utopien und Gemeinnützigkeitsrecht zusammen zu bringen. Und so wurde ich Vereinsfunktionär. Und nun als freier Utopist weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll. 
Du hast ja viele Stationen in Utopiastadt durch: Praktikantin, Forscherin, Bildungsreferentin, Vorstand – was würdest du mir denn als nächstes Spielfeld in Utopiastadt empfehlen?

Amanda: Zum Einstieg ist es immer gut, zum Utopiastadt Update zu gehen. Da kannst du prima auf die Themen draufspringen, die sich interessieren. Bei deinem Schreibtalent würde ich sagen, die Redaktionsgruppe wäre was für dich. Promopeitsche und Insta-Post sind ja durchaus Dinge, die du aus deinem ‚anderem Leben‘ auch kennst.

David: Haha, also im Prinzip all das weiter machen, was ich eh schon immer nebenher mitgemacht habe. 

Amanda: Ja, nur jetzt mit Vollgas!

David: Aber mal utopischer gedacht: In deiner Masterarbeit hast du ja Utopiastadt als informellen Lernort erforscht. Wenn ich also hier was machen will, was ich noch nicht so gut kann – wohin würdest du mich da schicken?

Amanda: Als erstes dachte ich »die Visionsentwicklung für den Utopiastadt Campus mitgestalten«, aber dass du Visionen denken kannst, hast du ja nun schon zu genüge bewiesen. Wie wäre es mit was ganz Praktischem? Schon mal was von Fruchtfolge gehört? Oder Nabenschaltung? Die Gartencrew oder die Mirker Schrauba freuen sich immer über Zuwachs.

David: Du meinst so richtig mit den Händen? Hm – Ich denk noch mal bei Getränken im Hutmacher drüber nach. Aber was hast du denn als nächstes hier vor?

Amanda: Ich finde es nach wie vor spannend, Menschen nach Utopiastadt zu holen, die vor Ort einen ganz neuen Eindruck von Ehrenamt bekommen. Zum Beispiel beim internationalen Workcamp oder den Social Days. Das werde ich auch weiterhin organisieren.

Kurz: Danke für das langjährige Vertrauen – wir sehen uns in Utopiastadt!


Erstveröffentlicht am 10.07.25 in der Printausgabe der WZ: https://www.wz.de/nrw/wuppertal/was-kommt-nach-der-langjaehrigen-vorstandsarbeit_aid-130822537

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Logbuch

Wozu ein Viertelfest?

Seit März 2021 erscheint in der Reihe »Logbuch Utopiastadt« regelmäßig eine Kolumne aus Utopiastadt im Wuppertaler Lokalteil der Westdeutschen Zeitung. Und hier auf der Seite.

Diese Kolumne ist von Marvin Link:

Logbuch 0.66

Wozu ein Viertelfest für die Mirker Nachbarschaft organisieren?

Ich hätte ein paar Antworten: Begegnung, Gemeinschaft, Teilhabe. Große Worte sind schnell gefunden. Aber ganz ehrlich: Ich mache das auch, weil mir selbst etwas fehlt.

Ich bin häufig nicht der Typ, der leicht in Kontakt kommt. Ich brauche Anläufe, Pausen, Fluchtwege. Menschenmengen machen mich nervös, Smalltalk strengt an. Und trotzdem arbeite ich seit Wochen in der Hebebühne und organisiere gemeinsam mit der Nachbarschaft ein Viertelfest, das das Gegenteil von Rückzug verspricht: Offenheit. Nähe. Miteinander.

Das Viertelfest hat das Motto ›Tür an Tür‹. Weil wir meist Tür an Tür leben und trotzdem kaum etwas voneinander wissen. Dem möchte ich experimentell etwas entgegensetzen. Deshalb wird die Hebebühne direkt neben Utopiastadt vom 10. bis 13. Juni zu einem offenen Zuhause für die Mirker Nachbarschaft: mit Outdoor-Wohnzimmer und Nachbarschaftsbühne, Küche mit Leckereien der Anwohnenden, Garten mit Spielen sowie einem Hausflur zum Plauschen und Quartiersinfos kriegen. Alles kostenfrei. Alles für alle. Alles ein Experiment.

Wie kann ich Orte gestalten, um Begegnungen zu fördern und Nachbarschaft zu stärken? Mit meinem Abschlussprojekt in Public Interest Design gehe ich dieser Frage nicht theoretisch, sondern praktisch nach – indem ich mit dem Viertelfest einen offenen Raum im Quartier gestalte, der zur aktiven Beteiligung einlädt. Ich probiere unterschiedliche Zugänge aus: Spielaktionen, gemeinsames Essen, Reflexionsangebote und offene Bühnenformate. Gleichzeitig ist es auch für mich persönlich ein Testlauf: Wie viel Offenheit halte ich aus? Was passiert, wenn ich mich in Situationen bringe, die ich sonst meide?

Unter dem Namen socialglue arbeite ich an Formaten, die zwischenmenschliche Begegnung fördern. Meist spielerisch, oft draußen – immer mit dem Versuch, Kennenlernen leichter zu machen. Das Viertelfest ist ein weiterer Versuch in genau diese Richtung. Und vielleicht auch mein bisher persönlichster.

Dass ich dieses Projekt in der Hebebühne umsetzen darf, ist für mich alles andere als selbstverständlich. Die Hebebühne liegt auf dem Gelände von Utopiastadt und ist ein Kunst- und Kulturverein, der offen ist für alle, die etwas ausprobieren oder auf die Beine stellen wollen. Diese Offenheit und die Menschen dahinter machen das Viertelfest überhaupt erst möglich. Dafür, für die Unterstützung, das Vertrauen – und dass ich diese Zeilen hier im Logbuch schreiben darf – bin ich sehr dankbar.

Ich wünsche mir, dass an diesen vier Tagen kleine, echte Begegnungen passieren. Vielleicht Momente in dem sich zwei Menschen zuhören oder gemeinsam lachen. Den Blick auf andere leicht verändern – oder innerlich eine Tür öffnen, die vorher zu war.

Und wenn du das hier liest: Vielleicht warst du schon beim Viertelfest. Vielleicht kommst du noch. Vielleicht überlegst du. Vielleicht brauchst du, wie ich auch sonst, einen kleinen Schubs.

Dann nimm diesen Text als Einladung. Die Tür ist offen.


Erstveröffentlicht am 12.06.25 in der Printausgabe der WZ: https://www.wz.de/nrw/wuppertal/utopiastadt-kolumne-wozu-ein-viertelfest-fuer-die-mirker-nachbarschaft-organisieren_aid-129167497

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Logbuch

Machs besser

Seit März 2021 erscheint in der Reihe »Logbuch Utopiastadt« regelmäßig eine Kolumne aus Utopiastadt im Wuppertaler Lokalteil der Westdeutschen Zeitung. Und hier auf der Seite.

Diese Kolumne ist von David J. Becher:

Logbuch 0.65

Letzten Sonntag war Tag der offenen Tür in Utopiastadt. An dessen Ende stand eine Podiumsdiskussion über Utopiastadt als Ort der Demokratiegeschichte. Dabei betonten sowohl Wolfgang Heinrichs, Vorsitzender des Bergischen Geschichtsvereins als Mitveranstalter, der gestand, erstmalig in Utopiastadt zu sein, als auch der Oberbürgermeister, der zwar schon oft, aber auch schon lange nicht mehr in hier war, wie auffallend freundlich, zugewandt und von gegenseitiger Wertschätzung geprägt die Atmosphäre sei. Das fiel mir auch deshalb besonders laut in die Ohren, weil dieses Empfinden im oft angespannten, komplizierten und von großen Herausforderungen geprägten Alltagsgeschäft viel zu schnell verloren geht. Aber zum Glück lebt der Geist der ernstgemeinten Gegenseitigkeit auch in schwierigen Zeiten offenbar erlebbar in Utopiastadt. Das hat mich erleichtert!

Ich durfte mit auf dem Podium sitzen, und hatte somit gleich an zwei aufeinanderfolgenden Tagen das Privileg, Demokratie zu diskutieren. Denn nachdem ich vor einiger Zeit an dieser Stelle über meine Wahrnehmung von Ehrenamt als wichtige Demokratie-Übung geschrieben habe, war ich Montag als Gast in die Politische Runde der VHS eingeladen, die anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung vom Nationalsozialismus über ›Demokratie im Stresstest‹ sprach. Dabei sagte die Demokratieforscherin Prof. Dr. Susanne Pickel den schönen Satz »Demokratie ist etwas wunderbares, wenn die Akteure Demokraten sind.«. Und auf dem Sonntags-Podium äußerte die Transformationsforscherin Jun. Prof. Dr. Karoline Augenstein, dass es in experimentellen Aushandlungsprozessen besser sei, wenn man nicht davon ausginge, dass die oder der Andere vermutlich etwas Böses wolle. In der Reflexion darüber fand ich mich beim Griff an die eigene Nase wieder: Wie formuliere ich eigentlich meine Politik(er:innen)-Kritik? Sicherlich finden sich die meisten meiner sozialpolitischen Ansprüche weder im Koalitionspapier noch im politischen Personal der neuen Bundesregierung wieder. Und bestimmt ist in einigen Punkten auch Fundamentalkritik geboten. Aber auch unter der reaktionärsten Führung bleibt Demokratie eine Mitmachveranstaltung. Von der Kommune bis Europa. Und egal, ob der Oberbürgermeister Jung, Mucke oder Schneidewind hieß, ob er ein CDU-, ein SPD oder ein Grünen-Parteibuch hatte – in Utopiastadt haben wir immer konstruktiv Prozesse von Stadt- und Gesellschaftsentwicklung verhandelt, haben rumprobiert, gestritten, versucht, verworfen, neu gegriffen – und nie aufgegeben, das Gute für alle zu wollen. 

Auch mich besorgt, dass eine gesichert rechtsextremistische Partei die zweitgrößte Fraktion im Bundestag stellt. Doch um so wichtiger ist, mit Demokrat:innen eben das zu stärken, zu feiern, zu bauen und weiterzuentwickeln, was unsere Gesellschaft für gutes Zusammenleben braucht: Demokratie. Und darin das zu pflegen, was sie schön macht: Gemeinwohl. Und das geht am besten in ehrlich freundlicher Gegenseitigkeit. Zum Beispiel in Utopiastadt. Machste mit?


Erstveröffentlicht am 08.05.25 in der Printausgabe der WZ.

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Logbuch

Wirtschaftsförderung Utopiastadt

Seit März 2021 erscheint in der Reihe »Logbuch Utopiastadt« regelmäßig eine Kolumne aus Utopiastadt im Wuppertaler Lokalteil der Westdeutschen Zeitung. Und hier auf der Seite.

Diese Kolumne ist von David J. Becher:

Logbuch 0.64

Oft wird Utopiastadt misstrauisch beäugt, seltener werden wir angesprochen. Eher redet man über uns: Die werden doch mit Millionen zugeschüttet! Warum wird der Bahnhof nicht fertig? Warum brauchen die zusätzlich Spenden? Warum glänzt da nicht alles golden und duftet nach  Flieder, bei so viel Geld?

Eigentlich ist das recht einfach: Die einzige große Förderung, die in Utopiastadt fließt, sind Städtebaufördermittel zur Sanierung des Bahnhofshauptgebäudes. Die Kosten dafür belaufen sich auf rund zehn Millionen Euro, von denen Bund und Land 80% tragen, die Stadt Wuppertal etwa 9% und Utopiastadt rund 11%. Dieses Geld fließt aber nicht in Gehälter von Utopiastadt-Mitarbeiter:innen, sondern komplett in die Gebäudesanierung. Also an ein Wuppertaler Architekturbüro sowie zahlreiche Fachfirmen, von denen der weit überwiegende Teil aus Wuppertal und Umgebung stammt. Utopiastadt pumpt also mit der Sanierung des historischen Bahnhof Mirke zehn Mio. Euro in die lokale und regionale Bauwirtschaft.

Wir selber kriegen von dem Geld nichts, sondern haben zusätzlich die volle Verantwortung eines klassischen Bauherren für dieses Mammutprojekt. Die Zeit dafür müssen wir entweder durch den Tagesbetrieb finanzieren oder ehrenamtlich beisteuern.
Der Tagesbetrieb, der alles finanziert, was in Utopiastadt läuft, schraubt, wächst, blüht und gedeiht, ist in erster Linie Flächen- und Gebäudewirtschaft. Die Utopiastadt gGmbH vermietet Räume, Gebäude und Flächen, zum Beispiel an den /dev/tal e.V., die Hebebühne, an eine Tanzschule, an den Gastronomiebetrieb Bärtig UG, an das Escape-Center Bergisch Land, an eine Kaffeerösterei – und die große Halle mitten auf dem Utopiastadt Campus an eine Spedition. Außerdem betreibt die Utopiastadt gGmbH weiterhin Wuppertals ersten Coworking-Space und vermietet Dir Räume für Konferenzen, Hochzeiten, die Abi-Feier Deines Cousins oder den 50. Deiner Cheffin.
Damit haben wir es in über zehn Jahren Provisorium und Baustelle bei allen Widrigkeiten geschafft, einer der vielfältigsten, ausschließlich von Einzelinitiative getragenen Stadtentwicklungs-Orte der Republik zu sein.
Und sind sehr dankbar, dass die NRW- sowie die Jackstädt-Stiftung uns bei dem Eigenanteil der Sanierung oder Knipex beim Aufbau der Gemeinschaftswerkstatt im Bahnhofsnebengebäude mit deutlichen Spenden unterstützen.

Der Betrieb kriegt keinen Cent öffentlicher Förderung. Stellt dafür aber Containerflächen für Fahr- und Lastenradverleih, das Fahrradreparaturcafé, rund 1.000 m² offener Grünflächen, den Weg von der Nordbahntrasse zum Uellendahl und Freiraum für Stadtentwicklungsexperimente zur Verfügung. Mit einem Kredit der Stadtsparkasse Wuppertal, der ebenfalls durch den Tagesbetrieb getilgt werden muss. Oder durch Spenden, um die Flächen für das Gemeinwohl offen zu halten – hast Du schon Deinen Quadratmeter Freifläche für alle gesichert? Zu Ostern gibt es einen Spendenmarathon bei wirwunder.de – Die Gelegenheit, Dich an der gemeinsamen Entwicklung zu beteiligen.

Wir freuen uns auf Dich!


Erstveröffentlicht am 10.04.25 in der Printausgabe der WZ: https://www.wz.de/nrw/wuppertal/utopiastadt-kolumne-zehn-millionen-euro-fuer-die-lokale-wirtschaft_aid-126193257

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Logbuch

Ins Blaue?

Seit März 2021 erscheint in der Reihe »Logbuch Utopiastadt« regelmäßig eine Kolumne aus Utopiastadt im Wuppertaler Lokalteil der Westdeutschen Zeitung. Und hier auf der Seite.

Diese Kolumne ist von David J. Becher:

Logbucheintrag 0.63

Mit einer guten Idee hinaus in die Welt gehen und mal schauen, was daraus wird – was für ein wunderbares Gefühl! Einfach ins Blaue!

Am vergangenen Wochenende haben sich ein Dutzend aktiver Utopist:innen zu einer Klausur nach Remscheid zurückgezogen, intensiv über die Organisation Utopiastadt und insbesondere ihren Förderverein Diskutiert und konzentriert an Strukturen gearbeitet. Denn so schön es ist, Freiräume zu bespielen, so wichtig ist es, der Freiheit in diesen Räumen immer wieder solide Fundamente zu bauen. Sonst gibt es rasch weder das eine noch das andere: Weder die Räume für Experimente, noch die Freiheit dazu.

Bisher haben wir beides geschafft: Zum einen Strukturen, in denen sich  Utopiastadt von einem kreativen Kollektiv zu einer treibenden Stadtentwicklungsinitiative entwickeln konnte. Zum anderen Freiräume für stets neue Ideen und Impulse, vom Insektengarten bis zum Solar Decathlon Europe. Damit das im Gleichgewicht bleibt, braucht es regelmäßig den gemeinsamen Blick auf die Entwicklung. Und zwar außerhalb der Mühen des Alltags.

Dazu durften wir nun zum zweiten Mal Gast beim Ins Blaue e.V. in Remscheid Honsberg sein. Nah genug, um mal eben rüber zu fahren, weit genug vom Mirker Bahnhof entfernt für den nötigen Abstand. Vor allem aber von einem gleichen aktiven Geist durchzogen, der sich mit viel Kreativität, Engagement und Herzblut dafür eingesetzt hat, Remscheid Honsberg als Quartier vor dem Verfall zu bewahren. Mit Erfolg! Dabei ist ihr Name Programm: Erst war die Initiative, dann die Struktur – ähnlich wie in Utopiastadt.

Und wie in meinem persönlichen Werdegang dort:
Denn eigentlich bin ich nur der Nachbar. Und bin 2013 mit großer Neugier auf diese lebhafte Initiative, die da in dem leeren Bahnhofsgebäude direkt vor meinem Arbeitszimmerfenster rumsprang, in die neue Bar »Hutmacher« spaziert. Dort wurde ich am berühmten Büchertresen gefragt, ob ich nicht an der Satzung für einen Verein mitdenken wollte. Ich antwortete das harmlose Wörtchen »Ja«, arbeitete intensiv mit am Gründungspapier – und zack bin ich über zehn Jahre Vorstandsvorsitzender. Ich hatte mit Stadt- oder Gebäudeentwicklung vorher kaum Berührung und bin mit ganz Vielen auf jeweils ganz unterschiedlichen Positionen in dieses große Vorhaben hineingewachsen.

Jetzt ist es für mich Zeit, mein offizielles Amt dort nach einer Dekade in andere Hände zu legen. Mit der Klausur haben wir eine gute Grundlage zur Zukunft des Fördervereins sowie der gesamten Unternehmung Utopiastadt geschaffen. Auf dieser Grundlage kann ich mit ruhigem Gewissen und in aller Freiheit meinen Teil des Vorstandsvorsitzes an neue, frische Kandidierende weiterreichen.

Und dann schaue ich, wo ich mich als Utopist in Zukunft einbringe in dieses großartigste Gesellschaftsentwicklungslabor, das ich kenne. Ich freu mich schon jetzt darauf, nach den Vorstandswahlen die strukturellen Verantwortlichkeiten hinter mir zu lassen und vorsatzlos in das kreative Kraftzentrum gegenüber zu spazieren. Einfach so – ins Blaue!


Erstveröffentlicht in der Printausgabe der WZ: https://www.wz.de/suche/Logbuch%20Utopiastadt/


Unterstütze die Arbeit von Utopiastadt durch eine Spende: https://www.wirwunder.de/project/120555

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Logbuch

Wir wählen die Vielfalt

Seit März 2021 erscheint in der Reihe »Logbuch Utopiastadt« regelmäßig eine Kolumne aus Utopiastadt im Wuppertaler Lokalteil der Westdeutschen Zeitung. Und hier auf der Seite.

Diese Kolumne ist von Christoph Haberer und David J. Becher:

Logbucheintrag 0.62

Wir wählen die Vielfalt!
Das steht in großen Buchstaben seit September auf einem unserer Container in Utopiastadt. Das Graffiti ist bunt, voller Farben und mit vielen Nuancen. So bunt, so vielfältig, vielstimmig und vielmeinig ist auch unsere Vision einer glücklichen Gesellschaft. Eine Vielstimmigkeit, die selbstverständlich nicht immer einig sein muss: Auch wir suchen ständig nach einem gemeinsamen Boden, auf dem wir dann ganz Unterschiedliches aufbauen können. Ein solcher gemeinsamer Boden ist zum Beispiel der Wunsch nach Gemeinwohl. Gutes Leben für mehr als nur mich und mein Umfeld. Gutes Leben für viele – nein, wir hätten nicht die Utopie im Namen, wenn wir nicht größer dächten: Wir wollen gutes Leben für alle! Und deswegen wollen wir Vielfalt gemeinsam und aktiv gestalten. Dazu haben wir mit Utopiastadt ein großes Übungsfeld gebaut: Welche Räume funktionieren für welche Menschen, wer fühlt sich wo angezogen oder ausgeschlossen, wer kann seine Fähigkeiten, Ideen und Vorhaben selber einbringen, wer braucht Unterstützung, wer bringt was mit? Fragen, die wir nie ganz beantworten können, aber immer auf’s Neue besprechen.

Natürlich kann Vielfalt anstrengend sein. Sie fordert Offenheit für Neues, Unbekanntes, vielleicht sogar Unangenehmes. Und sie packt uns an einer empfindlichen Stelle: Sie fordert ehrliche Selbstreflexion über die eigenen Wünsche ebenso wie die mitunter kritische Beschäftigung mit den Informationen, die tagtäglich auf uns einprasseln, dem, was wir als „normal“ ansehen oder Gewohnheiten, die wir nie hinterfragt haben. Und manchmal auch die Beschäftigung mit Problemen, die wir nicht gleich verstehen, die uns zu groß, zu fremd, zu abstrakt sind.

Wir erleben, dass rechtsradikale Politiker:innen in unseren Parlamenten sitzen. Wir erleben, wie sie mit ihrer Agenda gegen alles Fremde und ihren vermeintlich einfachen Lösungen erfolgreich politische Debatten dominieren. Wir erleben, wie rechte Regierungen in anderen Staaten aktiv gegen Vielfalt und Demokratie vorgehen. Und wir erleben derzeit einen Wahlkampf, der – getrieben von Rechtsextremen – fast nur ein Thema kennt. Doch in einer lebendigen Demokratie muss eine größere Vielfalt an Themen und Ideen diskutiert, verhandelt, ausprobiert und gelebt werden. Das kostet Kraft. Kraft, von der wir überzeugt sind, dass wir als Gesellschaft genug davon haben.

Es gibt kein gutes Leben für alle, wenn wir manche ausgrenzen. Vielfalt schadet nicht, sie bringt niemandem einen persönlichen Nachteil. Aber die Verwehrung von Vielfalt schränkt die Freiheit ein. Wir aber wollen die Freiheit! Wir wollen ein gutes Leben für alle! 

Dafür arbeiten und kämpfen wir hier an jedem einzelnen Tag. Wir arbeiten an unseren Strukturen, unserer Stadt und unserer Vision –  mal mit der Schaufel, mal auf der Bühne, mal in Gesprächen – und am 23. Februar natürlich mit unserer Stimme.

Und wir laden Euch von Herzen ein: macht mit, wählt – und wählt mit uns die Vielfalt!


Erstveröffentlicht am 13.02.25 in der Printausgabe der WZ: https://www.wz.de/nrw/wuppertal/wuppertaler-utopiastadt-wir-waehlen-die-vielfalt_aid-124130847


Schaffe mit uns Platz für Vielfalt und unterstütze den Utopiastadt Campus mit einer Spende: https://www.wirwunder.de/project/37249

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Logbuch

Insekten tatsächlich retten

Seit März 2021 erscheint in der Reihe »Logbuch Utopiastadt« regelmäßig eine Kolumne aus Utopiastadt im Wuppertaler Lokalteil der Westdeutschen Zeitung. Und hier auf der Seite.

Diese Kolumne ist von Thomas Schmidt:

Logbucheintrag 0.61

Wer mag sie nicht? Bienen, Hummeln, Schmetterlinge gelten als Zeichen einer intakten Umwelt. Doch Spritzmittel haben viele Insekten getötet. Hilfe kommt von engagierten Menschen, die Blühflächen anlegen. Eine der Flächen ist im Frühling 2024 in Utopiastadt entstanden. Aus einer ehemaligen Asphaltfläche wurde ein bunter Streifen. Auf dem summte und kreuchte es schon im ersten Jahr kräftig. Zeit, sich auf die Schultern zu klopfen? Nicht ganz, denn erst durch das vor wenigen Wochen erschienene Buch „Mein Artenretter Garten“ der Wuppertalerin Anja Eder wurde mir bewusst, dass das nur ein Anfang sein kann. Zum einen waren, ich ahnte es schon, viele Besucher der Blühfläche Allerweltsinsekten. Sie kommen häufig vor. Die Honigbiene ist genau genommen sogar ein Nutztier, die für den Menschen Honig produziert. Zum anderen helfen nicht alle ausgewählten Pflanzen. So wird die Kletterrose zwar überschwänglich blühen, aber viele Insekten dürften davon nicht profitieren, da ihre gefüllten Blüten schwer zugängliche Staubgefäße haben. Ein weiterer Aspekt, der durch die Lektüre des Buches deutlich wurde: Nur die zusätzliche Anlage von geeigneten Brut- und Unterschlupfflächen und das Setzen heimischer Pflanzen für weniger bekannte Insekten hilft der Natur wirklich weiter.

Ist bei der Gestaltung der Blühfläche also alles schief gelaufen? Auf keinen Fall. Die Schulnote dürfte irgendwo zwischen einer 2 und einer 3 liegen. Sie ist ein guter Startpunkt. Jetzt ist die richtige Zeit für die Neuausrichtung, denn mit etwas Anstrengung und Geduld kann daraus ein „Artenretter Garten“ werden. So nennt Eder ihren eigenen Garten in der Wuppertaler Nordstadt, den sie dort auf 180m² in wenigen Jahren aus einem „normalen“ Garten gezaubert hat. Wie sie ihre Arche Noah der Artenvielfalt erschaffen hat – sie hat dort schon weit über 300 teilweise seltene Insekten beobachten können – beschreibt sie in ihrem neuen Buch. Vor allem zeigt sie in tausenden Bildern, warum es sich lohnt, einen „Artenretter Garten“ haben zu wollen. Es sind faszinierende, wunderschöne Fotos, die deutlich machen, wie vielfältig und überraschend die Welt in einem artenreichen Garten ist. So hilft das Buch bei der Anlage des Gartens und ist gleichzeitig ein Nachschlagewerk für die spätere Bestimmung der Insekten. Zusätzlich beleuchtet es neben den Nahrungsquellen für die erwachsenen Tiere auch die Pflanzen, die für die Aufzucht des Nachwuchses nötig sind und wo und wie die Insekten überwintern. Eine Ecke mit Totholz und der Schnitt abgestorbener Zweige und Stengel erst im Frühjahr, wenn die neuen Triebe kommen, sind schon ein erster Anfang zu mehr Natur. Wir planen also weiter an unserem Blühstreifen, denn wir wollen irgendwann auch den wirklich schutzbedürftigen Insekten helfen. In Feld und Hain hat die intensive Landwirtschaft artenarme Einöden hinterlassen. Es klingt paradox, aber vermutlich können am ehesten wir Städter die Insekten retten. Die Wuppertalerin Anja Eder zeigt uns, wie das geht. Dafür herzlichen Dank!


Erstveröffentlicht am 9.01.25 in der Printausgabe der WZ: https://www.wz.de/suche/logbuch utopiastadt/


Unterstütze Aktionen wie den Insektengarten in Utopiastadt durch eine Spende: https://www.wirwunder.de/project/120555

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Logbuch

Soziale Tage in Utopiastadt

Seit März 2021 erscheint in der Reihe »Logbuch Utopiastadt« regelmäßig eine Kolumne aus Utopiastadt im Wuppertaler Lokalteil der Westdeutschen Zeitung. Und hier auf der Seite.

Diese Kolumne ist von Eberhard Fahle:

Logbucheintrag 0.60

Vielen Unternehmen ist heutzutage auch ein Einsatz für das Gemeinwohl wichtig geworden. Sie stellen ihre Mitarbeiter frei, um an einem »Social Day« ein ehrenamtlich organisiertes Projekt durch ihre Arbeitskraft zu unterstützen. In diesem Herbst konnte Utopiastadt gleich zweimal von dieser schönen Idee profitieren: Mitte Oktober hatten wir sowohl die Exportabteilung der Firma Knipex, als auch die Auszubildenden der Stadt Wuppertal mit jeweils über 30 Mitarbeitenden zu Gast. Das war für uns eine gute Gelegenheit viele kleine und größere Projekte abzuschließen, zu denen wir den Sommer über (mal wieder) nicht gekommen waren. An drei aufeinander folgenden Tagen sah man überall auf dem Gelände verteilt kleine Gruppen von Menschen, die erfolgreich gegen das Unkraut auf unseren Freiflächen kämpften, im Radverleih unsere Fahrräder reparierten, den Fenstern an der ehemaligen Gepäckaufbewahrung den letzten Anstrich verpassten und an der Holzfassade des Bahnhofgebäudes den alten Lack entfernten.

Bei der Vorbereitung eines Social Days bei Utopiastadt macht man sich natürlich auch immer Gedanken, ob die von uns geplanten Aktionen auch wirklich für die Helfer zumutbar sind. In diesem Fall gab es gleich zwei Projekte, bei denen die Arbeiten sowohl körperlich anstrengend als auch ziemlich dreckig sein würden:

Im Keller der ehemaligen Gepäckaufbewahrung ging es darum, mehrere Tonnen Lehmboden mit Hacke und Schaufel in große Säcke zu füllen und durch eine alte Kohlerutsche nach draußen zu befördern. Wir hatten hier schon mehrere Anläufe gemacht, aber es lag immer noch ein beeindruckender Haufen an Material im Keller. Mit der tatkräftigen Unterstützung unserer Gäste haben wir in diesen drei Tagen nicht nur den Keller leer geräumt, wir haben es sogar noch geschafft, einen neuen Steinfußboden zu verlegen.

Das zweite problematische Projekt war der Teich im Utopiastadtgarten. Nachdem die Folie dieses Teiches im Laufe der Jahre einige Löcher bekommen hatte, war er immer mehr verschlammt und musste daher völlig neu angelegt werden. Der Schlamm im Teich hatte sich aber zu einem wunderbaren Lebensraum für Molche entwickelt. Also musste auch hier erst einmal der Schlamm per Hand in Plastiktonnen geschaufelt werden, um den Molchen so ein sicheres Winterquartier zu schenken. Obwohl dies natürlich eine eher schmutzige Angelegenheit ist, stiegen unsere Helfer ohne zu zögern in die schlammige Brühe. In den drei Tagen ist es so gelungen, den alten Teich zu leeren und mit einer neuen Teichfolie auszulegen. Eine Bepflanzung ist für das kommende Frühjahr geplant und auch die Molche werden dann natürlich wieder einziehen.

Die Social Days bei Utopiastadt sind eine tolle Unterstützung für unser Projekt und wir sind am Ende auch immer erstaunt, wie viel man in nur drei Tagen schaffen kann.

Also: Vielen Dank für die Unterstützung unseres Projekts – und wir hoffen es hat unseren Helfern auch etwas Spaß gemacht!


Erstveröffentlicht am 14.11.2024 in der Printausgabe der WZ: https://www.wz.de/nrw/wuppertal/utopiastadt-kolumne-soziale-tage-in-der-utopiastadt_aid-121124665


Unterstütze die gemeinsame Arbeit an Utopiastadt durch eine Spende: https://www.wirwunder.de/project/120555

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Utopia ist überall

Seit März 2021 erscheint in der Reihe »Logbuch Utopiastadt« regelmäßig eine Kolumne aus Utopiastadt im Wuppertaler Lokalteil der Westdeutschen Zeitung. Und hier auf der Seite.

Diese Kolumne ist von David J. Becher:

Logbucheintrag 0.59

In den letzten Wochen war ich sehr selten in Utopiastadt. Schließlich mussten wir mit dem Vollplaybacktheater (VPT) eine neue Show ausarbeiten und zur Premiere bringen. Das war wunderschön. Aber auch schade. Doch wenn man sowohl Beruf als auch Ehrenamt aus voller Überzeugung und Begeisterung macht, reicht die Zeit am Tag nicht immer für alles. So ging in den letzten drei Monaten der Beruf mal wieder deutlich vor. Und doch, ein Riesenrad und ein Kettenkarussell aus Speichen eines defekten Fahrrads, eine Grabinschrift gefertigt mit dem Lasercutter oder ein Fotoshooting ließen mich hier und da auch dienstlich nach Utopiastadt kommen. Schließlich gibt es dort sowohl kreative Freiräume als auch eine gut ausgestattete Gemeinschaftswerkstatt – und vor allem viele Menschen, die einem weiterhelfen können, wenn man mal eine Idee, Material oder Knowhow braucht.

Während ich also nur Stippvisiten zu einzelnen Sitzungen oder eben mit ganz konkreten Anliegen in der Werkstatt gemacht habe, tobte hier das Leben munter weiter. Und ich war traurig, dass ich bei so vielem nicht dabei sein konnte. So hat zum Beispiel eine Abteilung des Zangenherstellers Knipex einen Social Day in Utopiastadt gemacht und an vielen Baustellen tatkräftig mit angepackt. Einen Tag, nachdem sie den Wirtschaftspreis gewonnen haben. Das Unternehmen des Jahres 2024 hilft dem Stadtmarketingpreisträger von 2016 – und ich hab Premierenvorstellung. Aufgrund der Trübsal, bei dem Social Day nicht dabei sein zu können, habe ich auf anderer Ebene erneut festgestellt, wie sehr mich diese Verbundenheit mit der Stadt berührt.

Das VPT hatte einst sein Zuhause im Forum Maximum im Rex-Theater – ein Ort, der lange vor Utopiastadt in bedeutender Art und Weise kreative Freiräume für Menschen jeden Alters bot, sich in bestens kuratiertem Kleinkunst-Umfeld auszuprobieren und zu etablieren. Ich weiß nicht, ob es ohne diesen Ort überhaupt noch ein VPT gäbe. Und ich weiß nicht, ob ich ohne ein VPT überhaupt in Wuppertal geblieben wäre.

Jetzt sorgen die VPT-Tourneen dafür, dass ich die Stadt regelmäßig ausführlich verlasse. Und Utopiastadt hat die Rolle übernommen, mich hier immer wieder ordentlich zu verorten. Einen Ort der Heimat für mehr als das persönliche Wohlbefinden, über die eigenen vier Wände, die eigenen Freunde und Familie hinaus, aufbauen und gestalten zu können, ist fast so befriedigend, wie der abendliche Applaus auf einer Comedy-Tournee. Wobei ich interessiert feststelle, dass die Waage zwischen Applaus und Kritik bei einer Comedy-Show meist deutlich eher in Richtung Applaus kippt, als bei der Arbeit an Gestaltungsräumen für alle. Aber vielleicht muss das so sein – je höher der tatsächliche Wert für eine Gesellschaft ist, desto mehr muss diese darum streiten. Ein Gedanke, den ich in den nächsten Nächten in der Bus-Koje sicherlich noch ein wenig weiterdenken werde.
Vorher aber stelle ich jeweils ein Riesenrad aus Utopiastadt-Rad-Speichen auf die Bühne. Und kann so in jeder Stadt ganz praktisch zeigen: Utopia ist überall!


Erstveröffentlicht am 16.10.2024 in der Printausgabe der WZ.


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